Sonnenfeuer über den Sümpfen Eternias

Über den kantigen Kämmen der Mystic Mountains lag noch der letzte Schleier des Morgendunstes, als He-Man die Zügel um Battle Cats mächtigen Hals fester fasste und seinen Blick nach Westen richtete, wo die Immergrünen Wälder wie ein smaragdener Saum den Horizont einrahmten. Neben ihm schritt Teela, das Licht der Frühsonne auf der polierten Klinge ihres Stabes, und Man-At-Arms überprüfte zum dritten Mal seine Geräte, deren Anzeigen im diffusen Dämmerglühen flackerten. Orko schwebte eine Armlänge über dem Boden, zupfte an seinem Hut und murmelte Formeln gegen das Mückenheer, das in feuchten Schlieren aus den Niederungen kroch. Hinter ihnen stampfte Ram Man mit dem gelassenen Takt eines Felsens auf zwei Beinen, und Moss Man, aus dessen Schulter Blättchen sprießten, atmete tief den Duft der nahenden Wälder. Ihr Ziel war klar: die Immergrünen Wälder, wo Stratos und eine Gruppe Vogelmenschen aus Avion warteten, um Neuigkeiten über die jüngsten Störungen zu teilen, die Späher über den Bergkämmen und den darunter liegenden Sümpfen gemeldet hatten. Dass der Weg durch diese Sümpfe führte, nahm die Gruppe in Kauf, doch niemand machte sich Illusionen darüber, wie trügerisch diese Landschaft sein konnte, in der Wurzeln den Boden umklammerten wie Finger und das Wasser still lag wie eine Spiegelfläche, unter der das Leben in zähflüssiger Geduld lauerte. Es war eine Ruhe, die trügerisch war, eine Ruhe vor etwas, das sich zusammenbraute.
He-Man hob das Schwert der Macht leicht an, spürte das Gewicht, das ihm seit jeher vertraut war, und lauschte in die Ebene. Ein schwacher, metallischer Ton mischte sich in das Summen der Insekten und das Glucksen des Sumpfes, ein Ton, der nicht hierher gehörte. „Duncan?“, sagte er, und Man-At-Arms nickte, noch ehe He-Man weiterreden konnte. „Ich habe es ebenfalls aufgefangen. Es ist kein Windspiel. Es klingt wie Glas.“ Teela blieb stehen, schattete die Augen, als würde sie etwas in der Ferne fixieren, das nur sie sah. „Wenn es Glas ist, dann jemand, der in den Sümpfen experimentiert. Und wer etwas in den Sümpfen testet, ohne die Wächter von Avion oder das Königshaus zu informieren, verdient unsere Aufmerksamkeit.“ Orko drehte sich einmal um die eigene Achse. „Vielleicht ist es nur eine Flasche, die jemand fallen gelassen hat. Oder eine, die ich herbeizaubern kann!“
Während ihre Schritte die feuchten Pfade tasteten, bewegte sich, unweit ihrer Route, in einer Lichtung, die von knorrigen Bäumen und Schlingpflanzen zusammengehalten wurde wie eine offene Wunde, eine ganz andere Versammlung. Naga, dessen schlanker Körper in ledernen Ringen glänzte und dessen Augen wie goldene Spiegel funkelten, hielt eine Phiole in den Händen, als wäre sie der Schlüssel zu allem, was im Schatten lauert. Neben ihm stand Gorgon, größer, in Fetzen gekleideter Robe, die seine Schuppen brüchig wie altes Laub erscheinen ließ; an seinem Gürtel hingen Knochentalismane und die Reste vergessener Rituale, seine Pupillen schmal und unbeweglich vor Konzentration. Rassel-Hood, mit einem ausladenden, klappernden Schwanzende, dessen Takt die Luft füllte, wie eine Warnung in einem fremden Alphabet, grinste schief, die Zunge zuckte kurz, als koste er eine unsichtbare Beute. „Aus den dunklen Adern der Mystic Mountains“, zischte Gorgon und nahm Naga die Phiole beinahe zärtlich ab, „gefiltert durch Gestein, das älter ist als die Erinnerung der Menschen. Man sagt, diese Flüssigkeit verwebt den Willen der Schlange mit der Wildheit der Dämonen, macht aus jeder harmlosen Winde ein Ungeheuer, das nicht ermüdet. Nur ein Tropfen genügt, um die Natur zu erinnern, wozu sie fähig ist.“ Rassel-Hood klapperte zustimmend. „Dann testen wir. Eine Schlange. Eine Kleine. Wenn es funktioniert, haben wir den Sumpf in der Hand, und mit dem Sumpf halten wir jeden, der ihn durchquert.“
Naga, dessen Hände vor Aufregung zitterten, ließ den Blick über die Schale einer provisorischen Laboreinrichtung huschen, die sie aus Kisten, alten Krügen und einem krummen Tisch zusammengestellt hatten. Er fischte nach einer gläsernen Pinzette, setzte an der Phiole an, und in dem Moment, als er sie vom Halter lösen wollte, stieg eine Gasblase aus dem morastigen Boden auf, platzte schnalzend an seiner Wade, und für einen Lidschlag erschrak er so, dass der Griff weicher wurde. Gorgons Hand fuhr hoch, doch es war zu spät. Die Phiole rutschte, tippte gegen den Rand, schlug einmal im schrägen Winkel und entglitt. Die drei Schlangenmenschen starrten wie gebannt, als das Glas zu Boden fiel, der kurze, klare Klang eines unvermeidlichen Fehlers in der schwülen Luft. Die Phiole zerbarst nicht, sie sprang auf, taumelte, Naga fuhr blind nach vorn, die Fingerspitzen strichen am Glas entlang, und dann, mit einem pfeifenden Einschnappen, glitt sie wie von unsichtbarer Hand gedrängt über den Tischrand und fiel in einen offenen Tümpel.
Ein einziger Tropfen berührte die Wasseroberfläche. Dann der Rest. Es war, als hätte jemand eine Farbe in eine Schale Milch gegossen: Ein irisierendes Netz breitete sich aus, erst zögernd, dann mit erschreckender Geschwindigkeit, fasste Uferkanten, umschlang Grasbüschel, drang in Risse, kroch, als hätte die Flüssigkeit ein Ziel. Der Sumpf atmete. Unter der Oberfläche bewegten sich Linien wie Muskeln in Trance, und die Geräusche der Vögel verstummten abrupt, als hätte eine unsichtbare Hand den Ton abgeschnitten. Rassel-Hood hörte auf zu klappern. „Naga“, sagte er, ohne zu zischen. „Was hast du getan?“ Naga blinzelte, sein Stolz sprang zwischen Abwehr und Ahnung. „Es… es war ein Unfall. Vielleicht… vielleicht ist es besser so. Wir wollten eine Probe. Nun bekommen wir… alle.“ Gorgons Blick verfinsterte sich, doch in seiner Stimme kroch kein Wüten, sondern eine kalte, messende Freude. „Dann werden wir Zeugen einer Geburt sein.“
An anderer Stelle standen He-Man und seine Gefährten an der Grenze, wo die Erde weicher wurde und jede falsche Bewegung den Fuß in saugende Kälte ziehen konnte. Moss Man kniete, legte die Handfläche auf den feuchten Grund. „Etwas stimmt nicht“, murmelte er. „Die Wurzeln sind nervös. Sie spüren etwas, das kein Wetter kennt.“ He-Man nickte, und in dem Moment brach die Oberfläche eines nahen Beckens auf. Nicht einmal ein Schatten war zu sehen gewesen, nur das Geräusch von etwas, das stieg, und dann schoss ein schimmernder Körper empor, groß wie ein Baumstamm, die Augen glommend wie Glut im Dunst. Teela schlug zu, ihr Stab prallte ab, als wäre Fleisch Stein geworden. Ram Man machte einen Schritt und rammte, die Brust wie ein Rammbock, doch die Schlange wand sich, teilte sich für das Auge wie in zwei, als hätte sie mehr Gelenke als möglich. „Das ist nicht normal“, keuchte Man-At-Arms, während er ein Netz aus seinem Handgelenk abfeuerte, dessen Maschen aus vibrierendem Metall sich über die Kreatur legten und sie für einen Herzschlag bremsten. He-Man sprang, das Schwert brannte im diffusen Licht, und mit einem wuchtigen Schlag löste er die Schlaufe, die sich um Teelas Bein zu schließen drohte. Es war, als schnitte er durch etwas, das nicht nur aus Fleisch bestand, sondern aus Müdigkeit und Wut zugleich.
Die erste war nicht allein. Aus dem Wasser, aus den Wurzeln, aus Löchern in den Bäumen und Ritzen im Erdreich kroch eine Vielzahl von Schlangen, jede größer als die letzte, die Haut in seltsamen Mustern verhärtet, als hätten sich Schuppen in Panzerplatten verwandelt. Einige trugen Hörner, andere ein leuchtendes Muster, das in den Augen pulste wie eine Hypnose. Sie zischten nicht, sie sangen, ein tiefes, körperloses Vibrieren, das den Magen erzittern ließ. Orko rief eine Brise herbei, um die Mücken zu vertreiben, und erwischte, ohne es zu wollen, eine Wolke aus Sumpfgasen, die aufstieg, Funken fing und in purpurnem Licht flackerte, das die Bewegungen verwirrend verschob. „Ups!“, quiekte er, „das sollte nur… naja…“ „Konzentrier dich!“, schnitt Teela ab, ohne grob zu sein, doch die Fülle an Bewegung und der ungewohnte Tanz der veränderten Schlangen machten jedes Ziel unzuverlässig. He-Man stellte sich breit über einen Stamm, parierte einen Angriff, der so schnell kam, dass nur Battle Cats geblähtes Knurren ihn gewarnt hatte, und schlug nicht zu töten, sondern die Richtung zu ändern. Er spürte den Gedanken wie ein Gewicht: Diese Wesen waren veränderte Kinder des Sumpfes, nicht Feinde von Geburt an.
Auf einer Erhebung, halb verdeckt von Farnen, beobachteten Naga, Gorgon und Rassel-Hood das Chaos, das sie nicht geplant hatten und doch herbeigesehnt hatten, als hätten ihre Gedanken es herbeigeschrieben. „Sieh nur“, hauchte Rassel-Hood, „He-Man tanzt. Lasst ihn tanzen, bis er fällt.“ Gorgon hob langsam die Hand und legte zwei Finger an die Schläfe. „Nicht zu schnell. Das Singen der Schlangen ist unkontrolliert. Die Flüssigkeit hat nicht gehorcht. Sie hat übernommen.“ Naga leckte über die Zähne. „Wenn es übernimmt, dann für uns. Wer sonst ist hier, um zu befehlen?“ Er beugte sich vor, spitzte die Zunge, gab ein zartes, schnelles Signal, und einige der veränderten Schlangen zuckten, als hätten sie ein Echo gehört. Doch gleich darauf scherten sie aus, wanden sich in neue Richtungen, vergaßen seinen Impuls und folgten einem dunkleren, tieferen Ruf, der aus dem Wasser selbst zu kommen schien. Rassel-Hoods Rassel vibrierte, diesmal nicht als Warnung, sondern unbewusst vor Anspannung.
Die Master of the Universe verteidigten sich in einem Kreis, den He-Man mit Bewegungen aus Stahl und Herz schützte, während Man-At-Arms Sprengsätze zu zentralen Knoten warf, die das Wasser kurz zur Seite drückten, um Tritte zu erlauben, und Teela mit einer Folge von Schlägen eine Schlangenschar auf Distanz hielt, die so synchron auf sie zukam, als gehörten sie zu einem einzigen Körper. Moss Man, seine Augen tief, rief mit einem Flüstern die Kraft einer Uferweide, die ihre Äste senkte und wie eine grüne Hand auf die Massen herabfuhr, sie hob, hielt, dämpfte, doch die Schlangen rieben sich daran, als könne nichts Lebendes lang standhalten gegen das unnatürliche Brennen, das in ihren Blicken lag. „He-Man“, rief Man-At-Arms, „etwas hat die Schlangen verändert! Ich erkenne Spuren von mineralischer Struktur… das könnte von den Mystic Mountains stammen!“ He-Man nickte, blockte einen Biß, dessen Zähne an seinem Panzer schabten, und sah, wie Orko, mutig, obwohl seine Hände zitterten, einen hellen Lichtkegel zwischen zwei Stämme setzte, der die Tiere zurückweichen ließ, weil er mit Frequenzen vibrierte, die ihre Sinne störten. Doch der Sumpf schloss sich wieder, die Schlangen krochen erneut dichter, und die Luft wurde schwer.
„Zurück!“, rief Teela, doch wohin? Der Boden verschob sich, ein alter Torf wurde weich, und im nächsten Moment sanken sie knietief in eine Brühe, die roch, als hielte sie das Geheimnis alter Monde. He-Man griff nach Teela, zog sie heraus, als ein zahniger Kopf fast ihre Ferse erwischte. Battle Cat sprang, packte eine Schlange mit dem Maul und schleuderte sie fort, während Ram Man, knurrend vor Anstrengung, zwischen zwei Stämme rammte und eine Schneise öffnete, die sich im nächsten Atemzug wieder füllte. Es war wie in einem Traum, in dem man rennt und das Ziel weicht.
„Gorgon“, sagte Naga, „du wolltest eine Geburt, nun hast du eine Armee. Beweise, dass du sie führen kannst.“ Gorgon hob den Kopf, und für einen Moment schien sein Blick, der in der Lage war, manchen Gegner zu versteinern, den Nebel selbst zu härten. Er konzentrierte sich, als sei der Sumpf ein Spiegel für seine Gedanken, doch die veränderten Schlangen gehorchten nicht der Willenskraft eines einzelnen. Sie waren Befehle, die nur das Echo einer alten, dumpfen Macht hörten, die aus der Tiefe sprach. Gorgon kniff die Augen zusammen, und ein Blitz von Starrheit fuhr durch einen Ast, der spröde brach und auf die Kante eines Tümpels fiel. „Sie sind jenseits“, murmelte er. „Nicht unter, nicht über. Jenseits von Kontrollworten.“
He-Man spürte den Klammergriff einer Schlange, die sich um seinen Hauptarm wand, und er wusste, dass seine Kraft groß war, doch nicht für immer genug, wenn aus Tausenden einer wurde. Er atmete tief, warf seine Schulter, riss den Arm frei. „Wir werden hier nicht sterben“, sagte er, mehr zu seinen Freunden als zu sich selbst. „Haltet zusammen!“ Er warf einen Blick auf den Himmel, der sich als bedrückender, grauer Deckel über den Sümpfen gewölbt hatte, den Dunst als stumme Glocke. Und als hätte das Schicksal gewartet, öffnete sich diese Glocke an einem Punkt, als streckte ein Finger die Membran. Ein anderes Licht fiel.
Ein Luftzug streifte ihre Gesichter, warm, trocken, anders. Ein Schatten glitt über den Rand, und dann war da ein Mann, dessen Rüstung die Farben einer aufbrechenden Sonne trug, dessen Schild wie ein Strahlenkranz glänzte, und dessen Nähe die Haare derer, die in der Feuchte gekämpft hatten, trocken werden ließ wie in einem Atemzug. Sun-Man landete mit einer Leichtigkeit, die Selbstverständlichkeit und Wucht vereinte, und hob die Hand. „Ich hatte ein Flimmern in der Atmosphäre gesehen“, sagte er ruhig, als stünde er nicht mitten in einem Sturm aus Schuppen und Zähnen. „Was immer hier die Luft anheizt, gehört nicht hierher. Haltet euch fest.“ Er senkte die Hand, und sein Schild begann, Licht zu sammeln, nicht grell, nicht brennend, sondern dicht und dicht, als kompakte Wärme. Die Luft änderte sich. Die Feuchte wich. Der Sumpf seufzte, das Wasser erzitterte, und in den Oberflächen bildeten sich rissige Muster, als würde jemand unsichtbar Tinte wegwischen.
Die Schlange, die He-Man eben noch umschlungen hatte, löste sich. Ihre Haut schimmerte, das Leuchten in den Augen verlosch wie Glut, die in Asche übergeht, und sie sanken, stumm, als wären sie erschöpft von einem Lauf, den kein Körper hätte laufen dürfen. Eine nach der anderen fielen die veränderten Schlangen ab, verloren die Härte, verloren die fremden Hörner, die ihnen gewachsen waren, und glitten, fast verlegen, zurück ins Wasser. Dort, wo Wasser gewesen war, stand plötzlich feuchter Boden, und dort, wo feuchter Boden gewesen war, bildeten sich trockene Flecken, in denen nur noch Pfützen glitzerten. Der Gesang, dieses körperlose Summen, verstummte, als hätte Sun-Man nicht nur das Wasser, sondern eine Idee aus der Luft getrieben. „Die Flüssigkeit“, keuchte Man-At-Arms, der seine Anzeigen betrachtete, als wollten sie ihm einen Traum bestätigen, „sie verliert ihre Wirkung. Das Medium ist weg. Sie braucht… Feuchte. Das ist ihr Vehikel. Ohne das…“ „Ohne das ist sie nur ein Traum, der keine Stimme mehr hat“, ergänzte Teela und strich eine Haarsträhne hinters Ohr, die an der Stirn klebte und nun trocken war.
Naga starrte Sun-Man an, und das Gold seiner Augen war für einen Moment nicht kalt, sondern überrascht. „Wer bist du“, zischte er, „das Herz eines Sterns?“ Sun-Man blickte kurz über die Schulter, sein Lächeln war knapp, freundlich. „Nur jemand, der rechtzeitig vorbeigekommen ist. Zieht euch zurück. Die Sümpfe sind heute nicht eure Bühne.“ Gorgon hob die Hand, vielleicht in einer letzten, bockigen Geste, die Luft schneidend, als könne er mit purer Sturheit den Lauf dessen halten, was glitt, doch Sun-Mans Blick blieb ruhig, und das Licht auf seinem Schild veränderte die Brechung in der Luft so, dass Gorgons Einfluss ins Leere griff. Rassel-Hood klapperte hastig, diesmal wie jemand, der seinen eigenen Puls hört. „Wir gehen“, knarrte er, und Naga, dessen Stolz viele Kanten hatte, nickte knapp, das Kinn in einem Ruck, der weniger Zustimmung war als das Eingeständnis eines Zwangs. „Heute“, fügte er hinzu, als brauchte er das Wort, um atmen zu können, und im nächsten Moment glitten die drei zwischen die Wurzeln, waren Schatten, die sich in Schatten legten, und verschwanden.
He-Man atmete durch. Sein Blick fiel zu Sun-Man, und für einen Moment war da einfach nur Dankbarkeit, die so offen war, dass sie nichts Weiteres brauchte. „Deine Hilfe kam im rechten Moment“, sagte er, und das war untertrieben, doch He-Man hatte die Gabe, in wenigen Worten viel zu tragen. Sun-Man senkte die Hand, das Licht floß aus seinem Schild wie ein Fluss zurück in sein Herz. „Ich war ohnehin unterwegs nach Westen“, erklärte er, „um den Sonnenlauf über den Immergrünen Wäldern zu prüfen. Ein unruhiger Tag. Ich spürte eine Anomalie. Es freute mich, dass ich nicht zu spät war.“ „Nicht zu spät?“, prustete Orko, der trotz des Chaos ein tapferes Lächeln unter seinem Hut hervorlugte. „Du warst so pünktlich wie ein Zauber, der beim ersten Versuch klappt! Und das passiert nicht oft!“ Teela lachte kurz, ein trockenes, aufrichtiges Geräusch, und Moss Man stand, hob die Handflächen und flüsterte ein Dankgebet an das, was in den Wäldern grünt. „Sachte, bitte“, bat er dann, freundlich, zu Sun-Man gewandt. „Die Sümpfe sind… empfindlich. Zu viel Trockenheit tötet mehr als nur das Gift.“ Sun-Man nickte und modulierte seine Kraft, ließ die Feuchte in den Senken wieder aufsteigen, genug, um den Lebensrhythmus nicht zu zerreißen, doch nicht so viel, dass die Flüssigkeit, deren Fluch er gebannt hatte, erneut Fahrt aufnehmen konnte.
Man-At-Arms kniete neben einem der trockenen Ränder, streckte einen Sensor in die dunkle Kruste und zog eine Probe, die im Behälter weich schimmerte. „Das stammt aus den Mystic Mountains“, sagte er, und seine Stimme trug jene Mischung aus Faszination und Sorge, die er immer dann hatte, wenn Wissen und Gefahr denselben Namen bekamen. „Eine Lösung, die Mineralien und… etwas anderes enthält. Etwas, das alten Ritualen nahe ist. Ich werde es im Labor prüfen. Aber eines ist klar: Jemand hat es hierhergebracht und wollte damit experimentieren.“ „Wir wissen wer“, erwiderte Teela und sah in den Schatten, die noch etwas von der Bewegung der Fliehenden hielten. „Naga, Gorgon, Rassel-Hood. Drei Schlangen, drei Köpfe, eine Richtung. Sie werden wiederkommen.“ He-Man strich Battle Cat über den Nacken, und das Tier schnurrte mit einer Tiefe, die das Sumpfland wieder menschlich machte. „Dann erwarte ich sie. Doch heute haben wir Wichtigeres: Stratos wartet, und die Vogelmenschen aus Avion müssen wissen, was hier geschah. Wenn die Schlangenmenschen eine Waffe haben, die die Bestien der Sümpfe verdreht, könnte sie auch in den Wäldern oder an den Hängen der Berge wirken.“
Sie setzten ihren Weg fort, leichter, nicht weil der Pfad einfacher geworden wäre, sondern weil die Gefahr, die sie an der Kehle gepackt hatte, die Hand gelöst hatte. Sun-Man schritt an He-Mans Seite, sein Blick flog immer wieder zu der Sonne, die über den Wipfeln der Immergrünen Wälder tanzte. „Als ich den Strahl senkte“, sagte er im Gehen, „spürte ich etwas, das gegenhielt. Eine Art Widerhall. Es kam nicht von den Schlangen selbst. Mehr wie von der Flüssigkeit. Sie reagiert nicht nur physisch, sondern… will. Du spürst das manchmal, wenn du dein Schwert hebst, nicht wahr, He-Man? Wenn Macht denkt.“ He-Man nickte langsam. „Macht hat einen Preis, wenn sie nicht mit Verantwortung geführt wird. Und sie hat ein Gedächtnis.“ Orko, der an ihrer Seite schwebte, zog einen Kreis in die Luft, aus dem kleine, harmlose Seifenblasen stiegen, die funkelten wie Gedanken. „Dann sollten wir uns daran erinnern, die Mystic Mountains nicht allein dem Wind zu überlassen. Vielleicht brauchen sie Wächter.“ Moss Man lächelte, und in seinem Lächeln war Rinde und Blatt. „Die Berge haben ihre Wächter, alte, stumme. Aber auch die Stummen brauchen Freunde, wenn die Lauten kommen und schöpfen.“
Am Rand der Immergrünen Wälder, wo die Sümpfe endeten und die Erde kräftig wurde, taten Sun-Mans Schritte fast keinen Laut mehr, als ihr Pfad sich aufhellte. Und da, als hätte der Wind die Nachricht schneller getragen als jeder Bote, tauchte Stratos aus dem Himmel, stürzte in einem schnellen, kontrollierten Bogen herab und landete mit einem Flügelschlagen, das wie der Puls eines großen Herzens klang. Hinter ihm setzten zwei Vogelmenschen aus Avion auf, ihre Augen wach, ihre Schnäbel scharf vor Wachsamkeit. „Freunde!“, rief Stratos, und seine Stimme trug die Tiefe der Höhen. „Wir sahen Sonnenfeuer im Sumpf. Ein trockenes Leuchten, wo Nässe sein sollte. Was ist geschehen?“ He-Man trat vor, und in wenigen Sätzen, klar und ruhig, schlug er die Brücke zwischen dem, was war, und dem, was sie nun tun mussten. Er sprach von der Phiole, von der Veränderung, vom Aufstieg der Schlangen und vom Sonnenfeuer, der sie heilte. Stratos hörte zu, sein Blick wanderte zu Sun-Man, und er neigte den Kopf in Anerkennung. „Ein Freund aus der Sonne“, sagte er, und in seinen Worten lag die Wärme eines Bündnisses, das nicht erst heute begann. „Eure Timing war perfekt. Die Wälder spürten das Zittern. Wären die Schlangen in diesen Bereich vorgedrungen, hätten wir sie aus den Ästen schneiden müssen.“
Sie berieten, während das Licht weiterstieg. Es war keine lange, schwere Beratung, sondern eine klare. Man-At-Arms beschrieb, was er gefunden hatte, Stratos bot Luftaufklärung über den Mystic Mountains an, um Quellen der Flüssigkeit zu finden, die Gesteinsadern, die unberührt hätten bleiben sollen. Teela definierte Patrouillen, die die Sümpfe in einem leichten, respektvollen Abstand kontrollieren würden, Moss Man bot an, die Pflanzen zu sensibilisieren, damit sie melden würden, wenn etwas Unnatürliches erneut ihren Saft vergifte. Sun-Man nickte und versprach, die Sonnensegel in der Atmosphäre so zu modulieren, dass die Sümpfe ihre Feuchte behielten und dennoch nicht in ein Bad für alte Gifte verwandelt wurden. He-Man fasste, wie immer, zusammen: „Wir schützen, was wir lieben, mit dem, was wir können. Und wir respektieren, was wir nicht verstehen, bis wir es verstehen.“
Am Ende des Tages, als die Schatten länger wurden und die Immergrünen Wälder sangen, nicht mit Worten, sondern mit dem Rascheln ihrer Nadeln, saßen die Helden einen Moment in Stille. Orko ließ eine Bubble langsam aufsteigen, in deren Innern eine harmlose, kleine Ringelnatter träge züngelte, ganz normal, ganz weltlich. Er ließ die Blase platzen, und die Schlange glitt ins Gras, neugierig, nicht böse. „Vielleicht“, sagte Orko, „war es für sie auch ein Alptraum. Und wir haben sie geweckt.“ He-Man sah in den Himmel, wo die erste Sternenspitze in die Tiefe stach. „Dann lasst uns wachen, solange es Nacht ist“, antwortete er, und Battle Cat stieß ein leises, zufriedenes Brummen aus, das die Worte ersetzte, die ein Tier nicht braucht.
In den Sümpfen, jetzt wieder leise, schob sich ein Schatten durch eine Spalte, in der das Wasser blieb, weil es bleiben musste. Naga, Gorgon und Rassel-Hood ruhten, ihre Gedanken flach, ihre Augen offen. „Das war nicht das Ende“, sagte Naga. Gorgon nickte kaum merklich. „Es war eine Probe. Nicht wie geplant, aber lehrreich.“ Rassel-Hood klapperte, leise, als würden die Knochen eines alten Plans in ihm zurechtrücken. „Beim nächsten Mal werden wir einen Becher nehmen, der nicht so leicht fällt.“ Dann war da wieder Nacht, nicht als Dunkel, sondern als Versprechen der nächsten Möglichkeit.
Im Lager der Helden war das Feuer klein, aus Respekt vor dem Wald, und doch warm genug, um Kreise zu schließen. Sun-Man stand, bereit, den Himmel zu nehmen, wenn er gerufen wurde, und Stratos’ Wachen glitten in stillen Bögen über ihnen. He-Man drehte sein Schwert in der Hand, nicht aus Unruhe, sondern wie jemand, der ein Werkzeug prüft, das nicht nur schneidet, sondern trägt. Die Sümpfe atmeten ruhig, die Wälder antworteten mit einem immergrünen Flüstern, und irgendwo, fern, rauschte die Zeit wie ein Fluss durch Stein. Es gab keine Siegesrufe, keine Fanfaren, nur das stille Wissen, dass heute etwas Schlimmeres verhindert worden war und dass morgen neue Arbeit warten würde. Und in dieser Stille lag Stärke.
So endete der Tag, an dem die Sümpfe Eternias eine andere Stimme angenommen hatten, nur um sie wieder zu verlieren, weil eine Sonne rechtzeitig fiel und weil Freunde da waren, die in den Schlamm traten, ohne zu wanken. Die Schlangen waren wieder das, was sie sein sollten: keine Dämonen, sondern Schleicher, die den Rhythmus einer Welt teilen, die groß genug ist, um Versuchung und Rettung zu halten. Und die Masters gingen weiter, mit dem Wissen, dass selbst im dichtesten Nebel ein Licht sich seinen Weg bricht, wenn Herz und Hand es rufen.