Der Siebenkranz von Ar’Anad

Ar’Anad war eine Stadt, die sich selbst wie eine Erzählung in den Sand der Ebene geschrieben hatte: ein Ring aus Mauern, auf denen die Jahre wie Schnitzereien saßen, sieben Tore, jedes eines anderen Handwerks würdig, von Schmiedehämmern gehärtet, von Weberschiffen geschmückt, von der Geduld der Steinmetze geheiligt, die ihre Namen nicht hinterließen, weil das Werk den Ruhm tragen sollte. Die Häuser aus gebranntem Lehm lehnten sich aneinander und bildeten enge Gassen, deren Schatten am Mittag wie kühle Reben über den Boden fielen. In der Mitte, wo alle Wege zusammenliefen, lag der Sternenplatz, eine große, gepflasterte Offenheit, in deren Herz ein Brunnen stand, der nach altem Brauch nicht mit Zierfiguren geschmückt war, sondern mit sieben einfachen, glatten Säulen, die in der Abenddämmerung das erste Licht des Mondes auffingen und in den Fontänen tanzen ließen. Die Kinder liebten es, die Finger in die Punkte des feinen Sprühregens zu halten, wenn die Tropfen die schimmernden Ränder der Säulen streiften und eine Spur aus Licht auf die Haut zeichneten. Es hieß, dass die Säulen einst von einem Weisen gesetzt worden waren, der die Stadt von einem Fluch befreit hatte, dessen Bitterkeit Generationen das Herz gebrochen hatte. Seither feierte Ar’Anad jedes Jahr die Nacht der Befreiung.
Die Geschichte vom Fluch wurde in den Häusern der Stadt leiser erzählt als auf den Plätzen, denn sie hatte in den Wänden weitergewirkt als in den Straßen. Eine fremde Zauberin war vor vielen Monden gekommen, in einer Nacht, in der der Himmel zu nah und die Erde zu weit weg schien. Niemand erinnerte sich an den Grund, den sie genannt hatte, nur an ihr Gesicht, das wie ein Spiegel ohne Spiegel war: keine Gefühle, nur Absicht. Sie sprach von Ordnung und Ausgleich und legte eine Formel auf die Stadt, die das Leben nahm, bevor es Sprache hatte, den Jungen vor ihrem siebten, den Mädchen vor ihrem zwölften Geburtstag. Man nennt es Fluch; in Ar’Anad nannte man es Stille, weil die Stimmen der Kinder fehlten. Die Jahre wurden lang wie Sehnen. Es war, als hätte die Zeit eine Faser verloren, die sie eng hielt. Dann kam, nach Jahren der Trauer, ein Magier mit einem Wandersack, der nicht mehr besaß als eine Schale, einen Stab und einen Blick, der die Menschen sah, keiner Person, die sie nicht waren. Er hieß Eldrin, doch die Alten nannten ihn einfach den Weisen, weil Namen klein werden, wenn Taten groß sind. Eldrin sah die sieben Tore, flüsterte in die Säulen Worte, die niemand verstand, und trank aus dem Brunnen, als wollte er das Salz der Tränen in sich aufnehmen. Seine Hände brannten an jenem Abend wie Fackeln, sagen die Legenden, und am Morgen waren die Kinder der Stadt nicht mehr bedroht. Seitdem wurde jedes Jahr ein Fest gefeiert, bei dem die Ankunft der Dämmerung nicht das Ende, sondern der Anfang war. Bänder in sieben Farben wehten von den Torbögen; die Bäcker gaben süße, in Honig gehüllte Brotkränze aus, die so weich waren, dass man sie kaum schneiden wollte; die Musiker spielten ein Siebenlied, dessen Töne sich über den Platz legten wie ein Geflecht aus warmen Armen. Es war eine Feier, in der die Trauer nicht verschwunden war, sondern verwandelt: Man aß, man trank, man lachte, und niemand vergaß, wozu das gut war.
In diesem Jahr war Besuch gekommen, der wie eine ferne Erinnerung an Geschichten, die außerhalb der Stadtmauern geschahen, und doch gerade deshalb willkommen war, weil er den Kreis, der Ar’Anad beschützte, um eine Spur größer machte. Die Masters of the Universe waren eingeladen worden, und sie waren gekommen – He-Man, dessen Name über Täler getragen wurde, als wäre er Wind; Teela mit dem Blick, der Entscheidungen wie Wasser von Untiefen unterschied; Orko, dessen Zauber oft so stolperten wie ein Kind, das laufen lernt, und der gerade deshalb Herzen gewann, weil er nie aufgab; Ram Man, Fisto, Moss Man, Stratos, Buzz-Off, Roboto, Man-E-Faces, Clamp Champ – doch im Mittelpunkt ihrer Formation, wie ein Scharnier, an dem sich vieles bewegen ließ, stand Serpent Claw Man-At-Arms. Duncan hatte viele Namen getragen, viele Rüstungen, viele Rollen – Tüftler, Vater, Krieger –, doch seit sein Arm den grünen Klauenhandschuh trug, der im dunklen Metall die Formen einer Schlange nachzog, sahen manche in ihm mehr als den Erfinder; sie sahen jemanden, der gelernt hatte, aus dem Feind das Werkzeug zu nehmen, ohne den Feind in sich einzuladen. Der Serpent Claw, eine ausfahrbare Klaue, dessen präsise Klingen sich mit einem schnarrenden Surren schlossen, verbunden mit einer Reihe von Spulen und Sensoren in seinem Unterarmaufsatz, war im Kampf gegen die Snake Men erprobt worden. Er konnte packen, ziehen, störende Schwingungen übermitteln, Gift analysieren, und er konnte, wenn es sein musste, seinen Träger nach vorn schleudern wie eine Hakenkatze, die an der Zukunft hängt. Serpent Claw Man-At-Arms ging an diesem Tag nicht als Waffe, sondern als Ehrengast, das Gerät gelöst auf halb offen, als sei es ein Teil von ihm wie eine zweite Hand, mit der er die Welt vorsichtig anfasste.
Der Bürgermeister von Ar’Anad, ein Mann mit einem Bart, der in sieben Strähnen gebunden war, und einer Stimme, die im Brustkorb vibrierte wie ein gutes Instrument, begrüßte die Helden mit einem Füllhorn aus Worten, das ehrlich war. „Ihr seid gekommen, um mit uns zu feiern“, sagte er, „und wir sind dankbar. Nicht weil wir Schutz erwarten, sondern weil Freude geteilt größer wird. Setzt euch mit uns. Esst unsere Brote, trinkt unser Wasser, lacht mit unseren Kindern und hört unsere Geschichte, damit sie nicht nur uns gehört, sondern allen, die lernen, dass ein Fluch nicht das letzte Wort hat.“ Der Sternenplatz schmückte sich mit Tischen, auf denen Kerzen in sieben Farben brannten, deren Flammen in der Brise kaum flackerten, als hätten die Säulen ihren Atem auf sie gelegt. He-Man trank aus einer Schale, die so alt war, dass die Glasur Risse hatte wie die Handschrift der Zeit, und sah zu, wie die Kinder tanzten, die Hände wie Bänder, die sich kreuzten, lösten, wieder banden. Teela lächelte, und das Lächeln war nicht Kriegerin, sondern einfach Mensch. Orko wollte ein paar funkelnde Sternchen aus dem Hut ziehen, zog stattdessen eine Niesattacke hervor, die die Kinder in ein kicherndes Rudel verwandelte. Ram Man schloss die Augen und nahm eine zweite Schale, um sicher zu gehen, dass die erste kein Traum gewesen war. Moss Man lehnte an einem der schlanken Bäume, die den Platz säumten, und hörte dem Rascheln der Blätter zu, das in Ar’Anad anders klang, als ob die Stadt selber mitredete.
Duncan, dessen Blick selten nur an der Oberfläche verweilte, ließ die Hand über eine der Säulen gleiten. Der Stein fühlte sich kühl an, nicht kalt, eher wie ein Stirnauflegen im Sommer. Er spürte die Schwingung, die in ihm lag, ein feines, stetes Summen wie von einem ruhigen Herz. Die sieben Säulen, dachte er, sind kein Schmuck. Sie sind ein Netz, ein Ton, der den Raum zwischen ihnen hält. Sein Arm vibrierte schwach, die Sensoren am Serpent Claw erfingen Frequenzen, die die Luft nicht störten, weil sie zu leise waren, um Lärm zu machen. Er machte sich eine mentale Notiz, nicht, weil er misstrauisch war, sondern weil er wusste, dass Magie und Mechanik nicht so weit auseinanderlagen wie man meint. Er drehte sich zu He-Man. „Die Säulen resonieren“, sagte er leise. „Eldrin hat nicht nur die Worte gesprochen. Er hat Strukturen gesetzt. Wenn jemals jemand versucht, den Fluch zu wecken, wird es über diese Steine gehen.“ He-Man nickte, und sein Blick war klar. „Dann wird niemand ihn wecken. Nicht heute.“
Während die Festtagsbrote geschnitten wurden und die älteren Frauen der Stadt an einer langen Tafel Kerzen in die Hände der Kinder drückten, geschah etwas, das in den ersten Sekunden niemand für das nahm, was es war. Ein Riss im Wind, eine Bewegung, die nicht zum Lachen passte, ein Schatten an einer Stadtmauer, die sonst nur Licht kannte. Dann hörte man das Zerren von Metall an Stein, doch es war nicht Metall, es war Schuppenkraft, die an den Zinnen schrubbte. Die ersten Schreie kamen vom Westtor, das die Leute das Wolkentor nannten, weil die Fernstraße dort in die hohen Hügel führte; fast gleichzeitig schrie jemand vom Flusstor im Süden; dann das Nordtor, das Stentor; dann Ost, Südost, Nordwest, Nordost – sieben Orte, sieben Töne, ein dissonanter Akkord, der die Stadt zu packen schien. Sie benannten die Tore nach dem Wind, dem Wasser, den Handwerken, den Sternen, und jetzt schienen alle Namen sich in ein einziges Wort zu verwandeln: Hydra.
Die Wachen auf den Mauern, gute Männer und Frauen, die mehr an Banditen als an Monster gewöhnt waren, rückten instinktiv zusammen, senkten Speere und hoben Schilde, doch die Dinge, die sich an den Torbögen emporschoben, waren keine Räuber. Sie waren mit einem Mal da, als wären die Steine selbst aufgesprungen: sieben gewaltige Körper, jedes eine Hydra, siebenköpfig, die Schuppen in einem matten Glanz, der nicht von der Sonne kam, sondern aus einem inneren, bläulichen Schein. Die Köpfe bewegten sich unabhängig, die Zungen blitzten, die Augen lagen tief wie Perlen in übelgelaunten Muscheln. Dort, wo sie den Boden berührten, schien das Pflaster zu schwitzen. Die Luft füllte sich mit einem Geruch nach feuchtem Leder und altem, abgestandenem Wasser. Es war, als hätten die sieben Tore jede eine eigene Schlange bestellt und alle Lieferungen seien gleichzeitig angekommen. Das Siebenlied verstummte. Dann setzten die Musiker wieder an, doch die Töne fanden die Stadt nicht, als hätten die Hydraköpfe die Luft geteilt. Kinder blickten zu den Erwachsenen auf, Erwachsene zu den Stadtwachen, die Wachen zu den Helden, und die Helden brauchten keinen zweiten Blick.
He-Man sprang auf Battle Cat, dessen Fell imLicht der Sterne einen grünen Strom aus Stärke war, und zog das Schwert der Macht. „Aufteilen!“, rief Serpent Claw Man-At-Arms, noch bevor He-Man sich umdrehen konnte. „Sieben Tore, sieben Hydren. Halte Linien, keine Köpfe schlagen, bis wir wissen, was sie sind! Teela, nimm das Flusstor! Ram Man und Fisto, das Nordtor! Stratos, in die Luft, Überblick geben! Buzz-Off, Südost! Roboto mit Man-E-Faces, Nordost! Clamp Champ mit mir ans Westtor! Orko, bei den Kindern bleiben, Abschirmung! He-Man – Osttor!“ Befehle flogen wie gut gezielte Pfeile. Er selbst, Duncan, fühlte, wie sein Arm reagierte, die Spulen summten, die Serpent Claw schob sich einen Zoll weiter nach vorn, als würde sie ihre Finger strecken. Seine Stiefel knarrten auf dem Pflaster, als er lief, und in seinem Kopf lief bereits eine Rechnung, bei der Zahlen durch Frequenzen ersetzt wurden und Winkel durch Absichten.
Am Wolkentor, wo der Westwind hereinpfiff, stand die Hydra mit allen sieben Köpfen in der Luft, die Zungen wie sieben separate Metronome. Ihre Beine, dick wie Säulen, schoben den Bauch über den Graben, die Klauen kratzten tiefe Furche in das Torholz. Die Stadtbewohner schrien, als das Tor aufzubrachen drohte, und zogen Balken heran, die für Belagerungen gedacht waren und kaum je benutzt. Clamp Champ, dessen Arme aussahen, als wäre Stahl in ihnen eingeschmolzen, sprang vor, seine große Klaue blitzte. Er fasste den nächstliegenden Kopf der Hydra, die Klaue schloss sich, und es war, als hätte jemand einen Ton abgeschnitten. Die Hydra ruckte, die anderen Köpfe zischten, und der gefangene Kopf windete sich, doch nicht frei. „Halte sie“, rief Serpent Claw Man-At-Arms. „Nur halten!“ Er schleuderte eine weitere Klaue vor, sie flog wie ein Bogen, dessen Ziel ein Schuppennacken war, klemmte sich mit einem krachenden Schnappen um den zweiten Kopf. Die Spulen in Duncans Arm surrten, er fühlte das Gewicht, das in seinen Knochen ankam, und ließ sich mit der Wucht nach vorn ziehen, um seinen Stand zu stabilisieren. Zwei Köpfe gebunden. Fünf suchten. Eines biss nach einem Wachmann, der speistete, doch Stratos kam von oben, zog den Mann am Rücken seiner Rüstung hoch, bevor die Zähne schnappten. „Sie reagieren auf Zug“, keuchte Stratos, und die Luft vibrierte mit seinem Flügelschlag. „Nicht schneiden, nicht spalten – dämpfen!“ „Ich weiß“, murmelte Duncan, mehr zu sich, und spürte, wie das leichte elektrischen Summen seiner Spulen überging in einen Ton, der kaum hörbar war. Er schickte eine Welle über die Klammern, etwas zwischen Schock und Flüstern. Der gebundene Kopf zuckte, ließ die Zunge fallen, die Augen wurden einen Hauch weniger hart. „Sie sind nicht Fleisch allein“, sagte Duncans Verstand ruhig, während sein Körper arbeitete. „Sie sind gebundene Energie. Ein Konstrukt.“
Am Osttor stellte sich He-Man der Hydra. Die Köpfe schnappten vor, drei auf ihn, die anderen vier Richtung Tor, als wären sie sich nicht einig, was zuerst zerstört werden sollte. He-Man parierte zwei Bisse mit dem flachen Rücken seines Schwertes, sprang auf einen Karren, stieß sich ab, landete dicht am Schuppenhals des monströsen Tieres und nutzte das Schwert wie einen Hebel, nicht eine Klinge. Er stieß, drehte, die Kraft in seinen Armen ein Befehl an Holz und Stein, und die Hydra, überrascht von einem Schmerz, der nicht schnitt, sondern brach, kippte. Battle Cat sprang, packte einen dritten Kopf am Kiefer, warf ihn gegen die Mauer. „Kein Köpfen!“, rief He-Man zu den Wachen, die instinktiv nach den Hälsen hackten. „Wenn ihr Köpfe nehmt, wachsen mehr nach!“ Er wusste um Geschichten und Legenden, und selbst wenn dies andere Wesen waren, schien die Logik der Hydra in ihnen zu sitzen wie ein Erbstück. Er schnitt eine Kette von einem Festwagen, wickelte sie um zwei Hälse, sprang, ließ das Gewicht der Kette zwei Köpfe zusammenziehen. Ihre Blicke kollidierten, verwirrt, wie Spiegel, die einander betrachten.
Teela erreichte das Flusstor, das über eine breite, niedrige Brücke die Stadt mit den Feldern verband. Die Hydra dort hatte den Fuß bereits auf das Brückengeländer gesetzt, das Holz knirschte wie ein Zahn am Ende seiner Tage. Teela schlug nicht zu, sie tanzte. Ihr Stab fuhr in die Spalte zwischen zwei Schuppen, traf einen Punkt, an dem die Nervenbündel eines natürlichen Tieres reflexartig die Muskeln gelöst hätten. Das Konstrukt zuckte, der Kopf zog sich zurück. „Macht Platz“, rief sie, und die Stadtwachen bildeten Konzessionen, zogen Netze, die eigentlich für den Fischmarkt gedacht waren, doch schwer genug, um die Bewegungen zu begrenzen. Buzz-Off kam summend heran, seine Flügel erzeugten eine feine, hochfrequente Welle, die die Hydra zwang, die Augen zu schließen, weil ihre Membranen den Ton nicht kannten. „Du bist zu laut“, rief Teela lachend, „aber gerade richtig!“ Moss Man erhob die Hände und flüsterte Befehl an die Weiden am Ufer; ihre langen, glatten Zweige senkten sich wie Hände, die sich auf wilde Kinder legen, um sie zu beruhigen. Es war nicht Gewalt, es war Einwirkung.
Am Nordtor rollte Ram Man. Das Tor hieß Stentor, weil seine gemauerten Bögen tief sangen, wenn der Wind aus den Bergen kam. Ram Man senkte die Schultern, seine Helmbügel glitzerten, und er donnerte in eine Seite der Hydra, die gerade dabei war, eine alte Wappentafel zu sprengen. Der Stoß drückte den Körper einen Fuß zurück; Fisto folgte, seine rechte Hand wie eine Waffe aus Bronze, und hieb mit gemessenem Schlag auf einen Gelenkknoten zwischen zwei Hälsern. Nicht spalten, sondern stoppen. „Wenn wir sie in der Mitte lahmlegen, folgen die Köpfe!“, rief Fisto, und Ram Man brüllte Zustimmung, weil Worte für ihn aufhörten, wenn der Körper sprach.
Am Nordosttor stand Roboto und berechnete. Seine Anzeigen sprangen, Panoramas in seinem Blick lieferten Daten und Zahlen; er schoss ein Netz aus vibrierenden Strahlen, die sich wie eine flüssige Wand vor der Hydra aufbauten. Man-E-Faces wechselte sein Gesicht, zuerst der Mensch, dann der Roboter, dann das Ungeheuer, und das Ungeheuer antworte dem Ungeheuer, indem es brüllte, doch sein Brüllen war nicht Furcht, sondern Befehl, der dem akustischen System des Konstrukts eine zweite Stimme gab, die sich in seine eigene bohrte. Der Doppelklang brachte kurz Chaos in die Hydra-Köpfe, als wüssten sie nicht, welchem Rufen sie folgen sollten.
Duncan spürte an seinem Arm, was an den Toren geschah. Es war nicht Magie in dem Sinne, dass er sie nicht anfassen konnte. Es war Konstruktion. Die Hydren waren an den Toren manifestiert, weil die Tore Schwellen waren. Der Fluch – oder das, was davon noch als Schatten durch die Jahre lief – hatte offenbar eine Antwort auf die Freude gefunden, die ihm gegenüberstand, eine Rückkehr, die sich nicht mit der Vergangenheit zufriedengab. Seine Serpent Claw gab ihm etwas, was die anderen nicht hatten: Er konnte die Schwingung, die die Hydren zusammenhielt, tasten. Er konnte die Frequenz spüren, die unsichtbar über den Köpfen lag, wie eine Hand puppenartige Fäden hält. Er griff zu einem Instrument, das in seinem Unterarm verborgen lag: ein Tongeber, klein wie ein Münzschlag und doch voller Sorgfalt gebaut. Er stellte ihn ein, drehte an einem Rädchen, das so fein gerastert war, dass selbst Roboto seine Augenbrauen – hätte er welche – gehoben hätte. Er suchte. Ein Sechser-Muster, nein, sieben, natürlich sieben, aber nicht linear, eher wie ein Spirallied. Seine Finger – die eines Mannes, der mehr schraubt als schreibt – fanden den Punkt, an dem die Wellen ruhiger wurden. „Es ist ein Chor“, murmelte er, „ein schlechter.“
He-Man trieb die Osthydra zurück, doch er spürte wie die Köpfe, auch wenn sie gebunden waren, sich wieder sammelten. „Duncan!“, rief er über den Kristall des Comlink, den sie alle am Arm trugen. „Sie sind zäh. Ich kann sie halten, aber nicht auf Dauer.“ „Höre zu“, antwortete Duncan, seine Stimme ruhig, während Clamp Champ am Wolkentor keuchte, die Klammer knirschte und Stratos den Himmel teilte, um ein Zusammenstürzen des Torbogens zu verhindern. „Die Hydren sind gebunden an eine Frequenz, die an den Toren stärker ist. Es ist ein Wiedergänger des Fluchs. Kein Angriff, eine Erinnerung. Wir müssen sie nicht töten, wir müssen sie entstimmen.“ „Entstimmen?“, brummte Ram Man, der über seinen Comlink mitlauschte, obwohl sein Schädel gerade wie eine Glocke vibrierte. „Klingt wie Musikunterricht.“ „Ja“, antwortete Duncan trocken. „Sucht an jedem Tor den Keilstein am Bogen. Da ist eine Einfügung, eine kleine, glatte Stelle. Wenn ihr sie berührt, seht ihr ein Zeichen – Eldrins Arbeit. Wir müssen dort eine Gegenfrequenz einspeisen. Wie Musiker!“ Er drehte sich und sah den alten Kapellmeister der Stadt, der mit blassen Fingern die Kante seiner Laute streichelte, als wäre sie ein Tier, das er beruhigen wollte. „Das Siebenlied“, rief Duncan, „spielt es, aber verkehrt, nicht in den Tönen von Freude, sondern in den Tönen der Ruhe. Langsamer, eine Quarte tiefer, achtet auf den dritten Ton. Orko, du hilfst mir, die Töne zu koppeln.“ „Ich koppel doch nichts“, sagte Orko, der von Kindern umringt war und seine Hände hob, als wollte er Kapitulation signalisieren. „Okay, ich koppel. Aber nicht meine Füße.“
Die Musiker sahen sich an, die Augen groß. Ihre Finger legten sich wieder auf Saiten, auf Flöten, auf Trommeln. Der Kapellmeister nickte, und was sie anstimmten, war das Siebenlied, doch anders, als hätten sie die Farbe gewechselt, aber nicht die Form. Es war ruhiger, schwerer, die Noten trafen tiefer. Die Säulen am Brunnen antworteten. Das Summen in ihnen veränderte sich, als hätten sie auf diesen Ruf gewartet, wie ein Schlafender, der beim dritten Klopfen die Augen öffnet. Orko, tapfer, konzentrierte sich, die Fingerspitzen glühten leicht, und um die Säulen legte sich ein feines, schimmerndes Band, das aussah wie Licht, das den Faden verloren hatte und ihn wiederfand. Duncan berührte am Wolkentor den Keilstein, hob den Tongeber in seinem Arm, stellte ihn in Resonanz zu den Säulen. Er fühlte, wie die gespannte, nervöse Energie der Hydra an die Klammern klopfte, als wollte sie fliehen, doch der Ton legte sich auf sie wie die Hand eines Vaters auf die Schulter eines Sohns, der zu schnell zu weit laufen will. Die Hydra keuchte. Es war ein Tiergeräusch, doch kein gewöhnliches. Es klang wie der Wind, wenn er durch dünne Vorhänge geht.
„Jetzt!“, rief Duncan ins Comlink. „Alle Tore! Keilsteine berühren! Töne einklinken!“ Teela legte ihre Hand auf den glatten Stein am Flusstor, spürte einen kalten Puls, als würde ein Herz an der falschen Stelle schlagen. Buzz-Off modulierte seinen Flügelschlag, und der Ton band sich ein. Ram Man sprang, doch Fisto griff nach seinem Handgelenk und setzte seine Hand auf den Stein, weil Ram Mans Hände gerade zu sehr Hände waren, um zu fühlen. Am Nordosttor ließ Roboto den Laser aus, der seine Netze am stärksten hielt, und legte statt dessen seinen metallenen Finger an den Stein – und überraschenderweise spürte er. „Kontakt“, sagte er. „Signal. Übertragung.“ Man-E-Faces wechselte ins menschliche Gesicht, um sein Ohr an den Stein zu legen, und grinste, als der Klang ihn traf, nicht als Schmerz, sondern als Höflichkeit. Clamp Champ am Westtor hielt noch immer zwei Köpfe, der Schweiß lief ihm den Nacken hinab, doch als Duncan den Ton einspeiste, wurden die Bewegungen ruhiger, nicht ob der Kraft, sondern ob der Anweisung, die in den Ton gelegt war. He-Man berührte den Keilstein am Osttor, der größer war als die anderen, weil der Ostbogen in alten Zeiten neu gesetzt worden war. Er spürte, wie das Schwert in seiner Hand antwortete, als ob in Eldrins Lied ein Gruß an eine andere Macht steckte, die mit Verantwortung geführt sein musste, und er ließ die Verbindung zu.
Was dann geschah, war nicht so spektakulär wie ein Blitz, der den Himmel zerteilt. Es war leise. Die Hydra am Westtor hörte auf, mit den Köpfen zu geifern; die Zungen zogen sich zurück, als wollten sie in sich gehen, und die Augen wurden glanzlos wie die Oberfläche eines stillen Teiches. Der Körper, eben noch gespannt wie ein Katapult, sank um wenige Zoll. Die am Flusstor ließ ein seltsames Zittern durch ihren Hals gehen, und Moss Mans Weiden hielten sie, ohne sich zu verbiegen. Die am Nordtor – die Stentor-Hydra – zitterte unter Ram Mans Blick und Fistos Hand wie ein Schmied, der weiß, dass der Hammer gleich nicht mehr nötig ist. Diejenigen am Ost-, Südost- und Nordosttor verloren, einen nach dem anderen, jene aggressive Entscheidung, die sie getragen hatte, und standen plötzlich da wie Tiere, die aus einem Traum aufwachen und nicht wissen, warum sie an diesem Ort stehen. Serpent Claw Man-At-Arms verringerte die Klammerkraft, ohne zu lösen, tastete mit den Spulen erneut; die Frequenz war da, in ihnen, aber sie war ansprechbar geworden, nicht stur, sondern offen. „Sie sind nicht böse“, sagte er kaum, und Stratos, der über ihm in der Luft stand wie ein schützender Stern, kam einen Meter tiefer. „Nein“, antwortete er, „sie sind gemacht.“
Doch gemacht von wem? In Duncans Kopf flickerte, während seine Hände taten, eine Erinnerung an die Geschichte aus Ar’Anad. Eine Zauberin, ein Fluch. Ein Weiser, eine Lösung. Eine Feier, in der die Vergangenheit jedes Jahr neu verhandelt wurde. Er dachte an das, was Magie oft ist: Absichten, die sich in Formen kleiden, wenn man sie füttert. Vielleicht war es nicht die Zauberin, die geschickt hatte. Vielleicht war es das Echo ihres Willens, das einen Weg gefunden hatte, in der Freude einen Riss zu suchen, wie Wasser eine Fuge findet. Vielleicht war es eine Prüfung. Er schob den Gedanken beiseite. Jetzt war nicht die Zeit, mit unsichtbaren Gegnern zu sprechen. Jetzt war die Zeit, den Platz zu halten.
„Zweite Phase“, sagte er in den Comlink, und seine Stimme hatte die ruhig bestimmte Härte eines Mannes, der nicht zum ersten Mal mehrere Schlachten gleichzeitig koordiniert. „Wir müssen ihre Kerne binden. Jede Hydra hat – ich nenne es den Nullknoten – dort, wo die sieben Hälse zusammenlaufen, eine Verdichtung. Schneidet sie nicht, schlagt sie nicht, legt etwas darum, das die Töne hält. Ketten, Netze, Bänder. Dann ziehen wir sie in den Kreis der Säulen. Die Säulen sind gebaut, um das zu verkraften.“ „Wir ziehen sieben Hydren über den Markt?“, fragte Orko, und seine Stimme trug die Mischung aus Entsetzen und Witz, die ihn so oft rettete. „Nur bis zum Platz“, antwortete Duncan, und man konnte ihn lächeln hören, ohne ihn zu sehen. „Und ja, wir gehen behutsam mit den Marktwaren um.“
Es war ein Bild, das die Alten später erzählen würden, wenn sie am Ofen saßen und die Enkel über dem Brot einschliefen: wie Helden und Bürger gemeinsam sieben Hydren, die groß waren wie die Angst, durch die Gassen führten, deren Fensterläden zu schmal waren für so viel Schuppe, doch breit genug für so viel Mut. Ketten klirrten, Netze knarrten, Bänder, die eben noch die Häuser geschmückt hatten, wurden zu Stricken, die das Ungeheuerliche sanft hielten. He-Man ging zuvorderst, nicht weil er der Stärkste war, sondern weil alle Blicke auf ihn fielen und sein ruhiger Schritt ihren Füßen Ruhe gab. Battle Cat ging neben ihm und brummte tief, eine Stimme, die Tiere verstehen, aber auch Menschen. Teela führte die Flusshydra, deren Blicke am Wasser hingen, als sehnten sie eine Tiefe, die nicht da war. Ram Man und Fisto trugen die Stentor-Hydra, als trügen sie eine gebrochene Säule. Roboto koordinierte Knoten, Stratos passte auf den Himmel auf, Buzz-Off trug mit seinen Händen mehr als mancher Mensch, Man-E-Faces wechselte Gesichter, um Kinder zum Lachen zu bringen, die am Rand standen, weil Lachen die Kraft ist, die man braucht, wenn der Ernst zu schwer wird. Clamp Champ hielt, was er hielt, mit jener Geduld, die seiner Stärke Sinn gab. Und Serpent Claw Man-At-Arms ging, den Tongeber fein einstellend, so dass die Freunde nicht zu viel ziehen mussten. Die Gassen wurden breit, als wären sie es aus Respekt, und der Sternenplatz nahm die sieben Körper auf, als wäre das immer sein Zweck gewesen.
Die Säulen surrten. Die Musiker spielten. Orko hielt drei Lichter über den Säulen, die in ihren Farben den Ton fanden und ihm Bilder schenkten, so dass sogar die Menschen ohne Ohr für Intervalle verstanden, was geschah. Es war, als würde man einen Faden durch sieben Nadeln führen, und am Ende zog man leicht, und der Knoten legte sich. Serpent Claw Man-At-Arms legte die Hand an jede Hydra, tastete den Nullknoten, sendete über seine Spulen eine kleine, exakte Dosis von Gegenton – nicht Schmerz, sondern Adresse. Die Hydren wurden still. Es war eine Stille, die nicht leer war, sondern gefüllt mit einer Entscheidung, die von außen kam und freundlich war. „Ihr seid nicht gemacht, zu zerreißen“, flüsterte er, und es war vielleicht nicht für ihre Ohren, sondern für jemanden, der zuhörte, wenn man mit Dingen sprach, die nicht sprechen.
Der Bürgermeister trat vor, der Bart leicht in seinen Strähnen verfangen an Aufregung, und hob die Hände. „Kinder“, sagte er, und seine Stimme war stark. „Es ist eure Feier. Wer mag, komme vor und lege eine Hand auf die Säulen. Eldrin hat sie für uns gesetzt, aber sie hören auf eure Zukunft.“ Die Kinder, vorsichtig, doch ohne Furcht, wie Kinder es sind, wenn man ihnen nicht beibringt zu fürchten, kamen, kleine Hände, warme Finger gegen den Stein. Die Säulen fühlten sich anders an, sagten manche später, weicher. Es war, als würden Steine lächeln, wenn man sie anfasst. Die Töne vertieften sich. Orko ließ die Lichter sinken, so dass sie über den Köpfen der Kinder schwebten wie sehr freundliche Sterne. He-Man legte seine Hand auf eine Kinderhand, ohne sie zu drücken. Teela sah zu und wusste, dass Führung manchmal heißt, Platz zu machen.
Die Hydren begannen zu sacken, nicht als fielen sie, sondern als lösten sie sich. Die Schuppen verloren an Härte, die Linien wurden unscharf, die Kanten flossen. Die Körper sanken in sich wie Sandburgen, denen das Wasser entzogen wird. Doch verschwanden sie nicht einfach. An der Stelle, wo die Nullknoten gelegen hatten, blieb etwas zurück: kleine, gläserne Kugeln, jede etwa so groß wie eine Aprikose, in deren Innern ein leichtes, blaues Licht hielt, als die Töne weiter spielten. Serpent Claw Man-At-Arms hob eine der Kugeln auf. Sie war warm. In ihr, ganz feine, drehte sich ein Sternchenstaub. „Kondensate“, sagte Roboto, der neben ihm stand, und seine Stimme verriet einen Hauch von Bewunderung, die so selten war wie ein Wolkenschiff über einer Wüste. „Gebundene Reste. Harmlos, solange die Resonanz dient. Gefährlich, wenn sie isoliert werden.“ „Nicht isolieren“, wiederholte Orko eifrig, und warf die Hände in die Luft. „Säulengläser!“ Er schnippte, und über jeder Säule erschien eine kleine, gläserne Glocke, die aussah wie die obere Hälfte einer Blase, doch fest genug, um die Kugeln zu schützen. Man legte die Kondensate, eines nach dem anderen, unter die Glocken. Die Säulen summten, und das Licht in den Kugeln veränderte sich, wandelte sich von blau zu einer warmen Ambrafarbe, in der man kleine Punkte tanzen sah, die nicht müde wurden, weil sie nicht müde werden mussten.
„Sie werden im Lauf der Tage verflüchtigen“, sagte Duncan, der die Sensoren in seinem Arm ausschaltete und zum ersten Mal seit dem ersten Alarm tief ausatmete. „Sie sind nicht das Böse. Sie sind die Form, die das Böse heute nahm. Eldrins Säulen halten sie, bis sie nichts mehr sind.“ Der Bürgermeister schluckte, legte eine Hand an die Brust, als müsse er sein Herz daran erinnern, langsamer zu schlagen. „Wir schulden euch…“ „Nein“, unterbrach He-Man freundlich, und seine Stimme war kaum lauter als der Ton der Säulen. „Ihr schuldet uns nichts. Ihr feiert die Kinder. Wir feiern mit euch. Das ist alles.“
Doch weil Menschen sind, wie sie sind, gab es trotzdem Dank. Es gab Brot, dessen Honig sogar Ram Man langsam essen ließ, damit er länger währte. Es gab Wasser, das die Kehlen kühlte, die riefen und sangen. Es gab Musik, die wieder Freude war, nicht Pflicht. Orko ließ diesmal Sterne aus seinem Hut kommen, die tatsächlich Sterne waren – kleine, harmlose Lichter, die an den Bändern klebten und später an den Decken der Kinderzimmer kleben würden, um ihnen zu zeigen, dass auch die Nacht freundlich sein kann. Teela tanzte zu einem Lied, das von Heldinnen handelte, die nicht kämpfen, sondern verstehen. Stratos erzählte den Kindern von Wolken, die nicht nur Wasser tragen, sondern auch Geschichten. Moss Man setzte sich neben die alten Frauen, die ihm von den Pflanzen erzählten, die sie in Töpfen zogen, und er gab ihnen leise Tipps, die mehr nach Hörensagen als nach Heldentaten klangen. Roboto spielte Schach mit dem Kapellmeister und verlor absichtlich nicht – sondern gerade so, dass es spannend blieb. Man-E-Faces wechselte zehnmal sein Gesicht, bis die Kinder nicht mehr wussten, welches sie am liebsten hatten, und entschieden, dass sie alle liebten. Clamp Champ hielt Babys, als wären sie die schwersten, wertvollsten Gewichte, die es gab. Buzz-Off surrte müde auf einem Stuhl ein, und jemand legte ihm ein Tuch über die Schultern, weil Freundschaft manchmal so einfach ist.
Serpent Claw Man-At-Arms stand eine Weile abseits, den Blick auf die Säulen, die jetzt ruhiger summten, die Glocken über ihnen, in denen das Licht träge kreiste. Sein Arm, der klammernde, grüne, war jetzt ganz still. Er dachte an Eldrin, den Weisen, den er nie getroffen hatte, und fühlte eine Art Kameradschaft, die Zeit nicht kennt. Dann trat ein Mädchen zu ihm, zwölf vielleicht, mit einem Kranz im Haar, der aus feinen Weidenzweigen geflochten war. Sie hielt etwas in den Händen, das sie vorsichtig trug, als wäre es ein Tier. „Für dich“, sagte sie, und hielt ihm einen kleinen Armreif hin, geflochten aus den Bändern, die man am Morgen über die Tore gehängt hatte, in den sieben Farben, die Ar’Anad liebte. „Um dich daran zu erinnern, dass die Stadt dich gesehen hat.“ Duncan nahm den Reif, und seine Finger, die Metall und Funken gewöhnt waren, zitterten einen Moment an dieser weichen, menschlichen Geste. „Ich danke dir“, sagte er, und seine Stimme war rau. „Aber ich möchte, dass du mir hilfst. Mit etwas Wichtigem.“ Ihre Augen wurden groß, eine Mischung aus Stolz und Sorge. „Was denn?“ „Hilf mir, diesen Armreif an meinen Arm zu binden, dort, wo sonst die Klaue sitzt. Damit ich nicht vergesse, wofür ich sie gebrauche.“ Sie nickte ernst, wie jemand, der ein Versprechen gibt, das nicht lautet: Ich werde nicht müde. Sie band. Die sieben Farben leuchteten einen Moment, als hätten sie ihre eigene kleine, stille Magie, die nichts weiter tat, als einen Mann zu erinnern, der selten vergaß, aber es manchmal brauchte.
Die Nacht zog in die Stadt, nicht dunkel, sondern gesäumt von Tausenden kleinen Lichtern, die die Kinder hielt. Das Siebenlied kehrte zu seiner ursprünglichen Form zurück, die leichter war, schneller, auf dem großen Platz stiegen Stimmen auf, die in den Mauern hingen wie sanfte Nebel. Die Tore standen offen, nicht aus Nachlässigkeit, sondern aus Vertrauen. Die Wachen lehnten an ihren Speeren und sahen in die Weite, ohne Furcht, weil die Weite wieder einfach Weite war. Die Hydren waren fort, ohne Trümmer zu hinterlassen, die die Hände der Menschen gebrochen hätten. Was blieb, war der Sternenplatz, auf dem die Säulen die Lichter hielten, und die Glocken darüber, in denen das Letzte vom Echo der alten Finsternis verglomm.
Später, als die Kinder schliefen, die Musiker ihre Instrumente verpackten, Orko auf einem Stapel Kissen schnarchte und man den Atem von Battle Cat wie ein leises Gewitter neben dem Brunnen hörte, saßen He-Man und Serpent Claw Man-At-Arms auf den Stufen einer der Säulen. „Du hast heute geführt“, sagte He-Man, und es war kein Urteil, sondern eine Feststellung, und in seiner Stimme lag die Art von Respekt, die sich Freunde eingestehen, die einander nicht beweisen müssen, was sie längst wissen. „Wir alle haben es“, antwortete Duncan. „Jeder an seinem Tor. Aber ja – es fühlte sich an, als hätte jemand diese spezielle Aufgabe in meine Hände gelegt.“ Er sah auf seinen Arm, den grünen. „Es ist seltsam. Ich trage eine Waffe, deren Form aus dem Feind geboren ist. Und ich benutze sie, um Bindungen zu lösen, statt zu fesseln. Vielleicht ist das immer die Aufgabe, wenn man mit Dunkelheit arbeitet – man lässt sie seinem Licht dienen.“ He-Man lächelte, sein Blick auf die Glocken unter den Säulen. „Es ist der Weg. Macht ist ein Werkzeug. Sie fragt dich nicht, was du bist. Sie fragt dich, wofür du dich entscheidest.“
Der Bürgermeister gesellte sich zu ihnen, setzte sich, ohne zu fragen, weil die Vertrautheit des Tages ihm erlaubte, mancher Grenze ein wenig zu streichen. „Es gibt etwas, das ich euch noch zeigen will“, sagte er, und seine Stimme hatte diese Tonlage, die Geschichten ankündigt, die man gern hört, weil sie etwas aufschließen. Er führte sie die Stufen des Brunnens hinab, zu einer kleinen Tür, die man leicht übersehen konnte. Dahinter lag ein niedriger Raum, in dessen Mitte ein Tisch stand und auf dem Tisch eine Platte aus Stein. In den Stein waren Linien geschnitten, die wie die Karte einer Stadt aussahen, die auf ihrer Seite liegt, und die Linien waren mit feinem Metall ausgelegt, das im Licht der Lampen glitzerte. „Eldrin hat dies hinterlassen“, sagte der Bürgermeister. „Es ist unser Herz. Es zeigt, wie die Säulen verbunden sind, wie die Tore sprechen, wie das Siebenlied die Luft hält. Über den Jahren haben wir gelernt, die Linien zu lesen, doch wir verstehen noch nicht alles. Vielleicht versteht ihr mehr.“ Duncan beugte sich vor, die Augen wach. Die Linie, die die Tore verband, war sauber, die Punkte, die die Säulen markierten, waren tiefer geschnitten, und an den Rändern, jenseits der Mauern, lagen kleine Zeichen, die wie Samen aussahen. „Es sind Anker“, sagte er, „für Dinge, die kommen könnten. Eldrin hat nicht nur die Stadt repariert. Er hat ihr Zukünfte mitgegeben, kleine Möglichkeiten, die greifen, wenn sie gebraucht werden.“ Er sah auf. „Heute war eine davon. Die Hydren waren nicht plump. Sie waren mathematisch. Das Siebenlied – die Resonanz – der Nullknoten. Alles hat etwas gewollt: prüfen, ob wir noch wachen.“
„Wirst du es ins Gedächtnis nehmen?“, fragte der Bürgermeister, und seine Stimme war mehr Bitte als Frage. „Wir sind nicht unklug. Aber wir sind keine Masters. Wir haben keine Serpent Claw, keine Battle Cat. Wir haben die Säulen und das Lied. Wir haben Brot und Wasser. Wir haben Mut. Reicht das?“ He-Man legte dem Mann die Hand auf die Schulter, eine Geste, die so alt war wie Vertrauen. „Es reicht, weil ihr euch erinnert“, sagte er. „Und weil ihr um Hilfe bittet, wenn ihr sie braucht. Mehr verlangt niemand, dem die Welt am Herzen liegt.“ Duncan nickte. „Wir werden die Linien in unseren Köpfen halten. Wir werden Roboto die Karte kopieren lassen. Wir werden Orko beibringen, die Glocken zu stellen, wenn es eilig ist.“ Orko, der leise in der Tür stand, weil er es nicht lassen konnte, überall aufzutauchen, wenn man seinen Namen dachte, grinste verschlafen und schniefte. „Ich stelle Glocken im Schlaf.“
Als der Morgen über die Stadt kam, grau und blass, wie es morgens ist, wenn eine Nacht viel gehalten hat, zogen die Masters weiter. Nicht, weil sie es eilig hatten, sondern weil die Welt groß war und das Gute sich nicht allein hielt. Sie verabschiedeten sich von Ar’Anad, als wäre es ein Freund, den man wiedersehen will, und nicht eine Sehenswürdigkeit, die man abhakt. Die Kinder winkten. Die alten Frauen gaben Brote mit. Der Kapellmeister drückte Roboto die Noten des Siebenlieds in die Hand, und Roboto bewahrte sie, obwohl er sie längst in seinen Speichern hatte, weil Papier auch speichert. Der Bürgermeister umarmte He-Man, als würde er seinen eigenen Sohn umarmen. Serpent Claw Man-At-Arms ging zuletzt, weil er die Glocken unter den Säulen noch einmal ansah, sicher, dass die Lichter in ihnen weich genug wurden, um bald zu verschwinden; er setzte den kleinen Armreif, den das Mädchen ihm gegeben hatte, so, dass er neben der Klammer saß wie ein Partner, der mahnte, wenn die Spule summte. He-Man sah es und nickte, ohne Worte.
Auf der Straße, die Ar’Anad verließ, sah Stratos zurück. „Sieben Tore“, sagte er leise. „Sieben Hydren. Sieben Töne. Manche Dinge lieben Zahlen, wie andere Worte lieben.“ „Und wir?“, fragte Buzz-Off, der neben ihm schwebte. Stratos lächelte. „Wir lieben die Menschen in den Zahlen. Aus ihnen machen wir Geschichten.“ Ram Man gähnte so laut, dass eine Lerche erschrak und höher stieg. Fisto klopfte ihm auf die Schulter.
„Musikunterricht bestanden“, sagte er, und Ram Man grinste. „Nächstes Mal Mathe.“
He-Man blieb einen Schritt zurück, als die anderen vorangingen, und hielt einen Moment inne. Er hob das Schwert der Macht in den Morgenschein, nicht als Triumph, sondern als Danke. „Für Kinder, die lachen“, sagte er, und niemand hörte es, und doch hörte es jeder, der hören musste. Duncan – Serpent Claw Man-At-Arms – stand neben ihm, breitete die Finger der freien Hand in die Luft, als würde er die Resonanz der Säulen noch spüren, die jetzt weit hinter ihnen lagen. „Für Städte, die wissen, wozu sie singen“, sagte er, und auch das war genug.
Ar’Anad atmete, die Tore offen, die Glocken still, die Säulen wach. Und irgendwo in einer Welt, in der Zahlen und Lieder ebenso Waffen sein können wie Schwerter und Klammern, zog eine Zauberin einen Schleier über ihr Gesicht und lächelte, nicht als Drohung, sondern als Erkennen, dass der Tag, den sie geplant hatte, anders verlaufen war als gedacht. Und vielleicht, ganz vielleicht, war Eldrin an einem Ort, an dem die Stimmen der Kinder an sein Ohr drangen wie ein gutes Lied, und er lachte leise, weil Arbeit, die hält, Arbeit ist, die weitergibt.
So ging die Feier weiter, so gingen die Tage, so gehen die Geschichten: von Flüchen, die nicht bleiben, von Liedern, die halten, von Helden, die keine Tore schließen, sondern Herzen öffnen. Und in den kleinen, gläsernen Glocken unter den Säulen verlosch das letzte blaue Licht, ruhig, ohne Eile, und niemand bemerkte den exakten Moment, an dem nichts mehr übrig war. Es war gut so. Denn nicht alles Gute braucht Applaus, um wahr zu sein. Die Masters ritten in den Tag, und Ar’Anad blieb ein Ring aus Häusern und Hoffnung – eine Stadt, die jedes Jahr ihr eigenes Herz neu fand. Und sollte irgendetwas je wieder an den Toren stehen, mit sieben Köpfen und einer Sache, die es von innen drängte, dann würde die Stadt sich erinnern, wie man den Ton hält, und irgendwo würde ein Mann seinen serpentengleichen Handschuh heben, nicht um zu packen, sondern um zu leiten. Und das würde reichen.